Statement Freelance Dance Ensemble Berlin

Die aktuellen Haushaltskürzungen bedrohen die Existenz, die kontinuierliche Arbeit und die Zukunftsperspektiven der freiberuflichen Zeitgenössischer Tanz/ Performance- Künstler*innen und Akteur*innen Berlins, ihre Infrastrukturen und ihre Spielstätten. Mit dem Freelance Dance Ensemble Berlin wollen wir Sichtbarkeit für Expertise, lokale und internationale Relevanz und Vernetzung der dynamischen Performing Arts-Landschaft in Berlin schaffen.

Jeder Projektantrag erfordert eine zeitintensive Vorbereitung, die eine Gestaltung komplexer Zeit- und Budgetpläne und die sorgfältige Zusammenstellung von künstlerischen Teams beinhaltet. In der letzten Förderrunde wurden nur ca.9% der Anträge zur Einzelprojektförderung positiv entschieden. Bedingungen und Höhe der Fördermittel werden dem qualitativen und kreativen Potenzial der international geachteten Berliner Zeitgenössischer Tanz/ Performance-Kunst nicht gerecht. Laut
Systemcheck BFDK 2021-23/TanzAgenda24 sind 92% der Tanzschaffenden
soloselbständig und haben mindestens einmal im Lebensverlauf ein
Jahreseinkommen von 12.231,00€.

Wir fordern eine Umstrukturierung des Berliner Fördersystems im Dialog mit der Gemeinschaft der in dem Bereich Zeitgenössischer Tanz/ Performance arbeitenden Akteur*innen: Statt kopfloser Kürzungen, die den erreichten Fortschritt und die Errungenschaften der Szene zunichtemachen, fordern wir ein zukunftsweisendes Update, eine gemeinsam erarbeitete Strategie, die eine generative und nachhaltige Zukunft fördert.

Neben der Rückgängigmachung der Kürzungen fordern wir außerdem verbesserte Arbeitsbedingungen:

● Bessere (oder: angepasste Bestimmungen zur) sozialversicherungsrechtliche
Absicherung
● Vereinfachte Regelungen beim Arbeitsmarktzugang für ausländische
Künstler*innen
● Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Arbeitsunfällen ab Tag 1 sowie ein der
komplexen Erwerbsrealität angepassten Zugang zu Arbeitslosenversicherung
● adäquat formulierte Altersvorsorge auch bei wechselnden
Arbeitsverhältnissen.e
● ein Bekenntnis des Berliner Senats zur Schaffung nachhaltiger
Arbeitsbedingungen für die freie Szene und zur Professionalisierung der
Infrastrukturen für selbständige Berliner Künstler*innen

Die geplanten Kürzungen und ihre unilaterale Umsetzung – ohne Rücksprache mit den am meisten Betroffenen – sind in unseren Augen nicht nur ein Symptom für die Ignoranz und Unkenntnis gegenüber unseren ohnehin schon prekären Arbeitsbedingungen, sondern auch ein Beleg für das fehlende Verständnis der komplexen Strukturen, die unserer Arbeit zugrunde liegen. Diese Strukturen sind die Grundlage für unsere oft interdisziplinären, kollaborativen und hoch engagierten, politischen und sozialen, performativen Praktiken.

Hiermit laden wir den Berliner Kultursenator und andere maßgebende
Politiker*innen dazu ein, in einen Dialog mit uns zu treten, um ein tieferes
Verständnis dafür zu erlangen, wie wir arbeiten und welche Bedingungen und
Infrastrukturen unsere Arbeit erfordert.

Im Bereich Zeitgenössischer Tanz/ Performance tätig zu sein bedeutet heute viel mehr als Bühnenwerke zu schaffen, zu proben und auf Tournee zu gehen. Es umfasst auch künstlerisch-wissenschaftliche Forschung, Praktiken der Fürsorge und soziale Arbeit, politische Arbeit, kontinuierliches Lernen, Lehren, Mentoring, essayistisches Schreiben, Management, Organisations – und Produktionsarbeit. Die 100-prozentige Abschaffung von Strukturen – wie etwa das Projektbüro Diversity Arts Culture, das Kulturschaffende über Jahrzehnte aufgebaut haben – ist ein Akt der Zerstörung und der Missachtung, insbesondere gegenüber marginalisierten Gruppen.

Wir weisen darauf hin, dass es durchaus Beispiele dafür gibt, wie Kulturarbeit
nachhaltiger gestaltet werden kann. In Nachbarländern wie Frankreich und Belgien haben freischaffende Künstler*innen Zugang zum „status d’intermittence“, einem System, das in Zeiten der Arbeitslosigkeit oder bei Verletzungen Unterstützung bietet. In einem wirtschaftlich so starken Land wie Deutschland ist es unverhältnismäßig, dass freischaffende Künstler*innen und Ihre Co-Akteur*innen weit mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten, aber keine Aussicht auf eine Rente haben.

Künstlerische Expertise ist das Resultat einer kontinuierlichen finanziellen Investition in künstlerische Forschung und künstlerische Arbeit. Sie entsteht durch Zusammenarbeit und ist das Ergebnis der engagierten Arbeit vieler Menschen, von kompetenten und hochgradig ausgebildeten Teams, die Künstler*innen in langen Schaffensprozessen unterstützen.

Die Stadt Berlin und ihre Bewohner verdienen eine diverse, reiche, blühende
Kunstszene und Künstler*innen, die nicht in der Prekarität gefangen sind.
Angesichts der drohenden Kürzungen schlagen wir vor, einen kollektiven Prozess zur Entwicklung einer Gewerkschaft einzuleiten, um unsere Arbeit, unsere professionellen Bedürfnisse und unsere Rechte einzufordern und zu vertreten.

ÜBER DAS Freelance Dance Ensemble Berlin:
Ein loses Kollektiv von Künstler*innen und Akteur*innen des Feldes
Zeitgenössischer Tanz/ Performance hat diese Webseite und Initiative entwickelt, um ihre Kolleg*innen wertzuschätzen, um die Komplexität ihrer Arbeit hervorzuheben und um Widerstand gegen die drohende Haushalts-Katastrophe zu leisten, eine Katastrophe, die alle freischaffenden Künstler*innen und Akteur*innen derzeit massiv bedroht.

Die Initiator*innen sind:
Claire Vivianne Sobottke, Jared Gradinger, Silke Bake, Siegmar Zacharias, Sheena McGrandles, Martin Hansen, Jule Flierl &Laurie Young.

Links:

FREELANCE DANCE ENSEMBLE BERLIN – STATEMENT

https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSeQJ5TwXv3JL10pxkIjEob-1Ykcx0b6QuWN2Z_X-CNttzAauw/viewform

Kontakt: freelancedanceensembleberlin@gmail.com